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Gliederung:
Rechtliche Stellungnahme Künstlersozialabgabe auf Postproduktion?
(Stand: 09.07.2015)
I. II. III. IV.
1.
2. 3.
Sachverhalt
Fragestellung
Fazit und Empfehlung Detaillierte rechtliche Bewertung
I. Sachverhalt
Ein Kunde (wie z.B. Automobilhersteller) beauftragt einen Fotografen für eine Werbe-Kampagne. Vertragspartner der Werbeagentur wird der Fotograf selbst (ggf. vertreten durch die Repräsentanz).
Der Fotograf erstellt Fotografien für die Kampagne.
Die Postproduktion der Fotografien wird durch einen externen Dienstleister vorgenommen, der vom Fotografen beauftragt. Vertragspartner der Postproduktion wird der Fotograf (ggf. vertreten durch die Repräsentanz).
Bei dem externen Dienstleister handelt es sich um eine/n Selbständige/n (keine GmbH).

  1. a)  Variante 1: Die Postproduktion wird vom Fotografen beaufsichtigt (supervision), d.h. der Fotograf gibt dem Postproduzenten Anweisungen zur Umsetzung der Postproduktion.
  2. b)  Variante 2: Die Postproduktion wird nicht vom Fotografen beaufsichtigt. Die Postproduktion hat „freie Hand“.

Der Fotograf erhält von der Postproduktion eine an ihn gerichtete Rechnung, die er bezahlt.
In der Rechnung der Postproduktion ist die Formulierung enthalten: „… für die kreative Bildbearbeitung… berechne ich…“
Erwähnt sind ferner die Begriffe „Composing, Retusche, Lookentwicklung“.
In der Rechnung des Fotografen an den Kunden sind die vom Fotografen bezahlten Vergütungen an die Postproduktion in einer Position mit aufgeführt. Die Supervision des Fotografen über die Tätigkeiten der Postproduktion ist ebenfalls in der Rechnung an den Kunden separat mit ausgewiesen.

4.
5.
6. Auf die Vergütung an die Postproduktion führt der Fotograf keine Künstlersozialabgabe an die KSK ab und kalkuliert daher auch keine Künstlersozialabgabe darauf in der Rechnung an den Kunden.
II. Fragestellung
Ist die KSK berechtigt, von dem Fotografen Künstlersozialabgabe auch auf die Vergütung(en) für die Postproduktion zu verlangen?
III. Fazit und Empfehlung
1. Die größte Problematik dürfte hier darin liegen, dass insbesondere das Bundessozialgericht in der Vergangenheit den Bereich „Werbefotografie“ allgemein und umfassend als „künstlerisch“ eingestuft hat. Auf eine künstlerische Tätigkeit im Einzelfall kommt es dann nicht mehr an. Der Fakt, dass es um Werbefotografien geht, „infiziert“ sämtliche Tätigkeiten, die mit dem Prozess der Erstellung der Werbefotografien in Verbindung stehen.
Es muss davon ausgegangen werden, dass die KSK und die Gerichte diese rechtliche Bewertung auch auf Leistungen im Bereich „Postproduktion“ anwenden.
è Auch wenn es bisher keine höchstrichterliche Entscheidung zum Thema „Postproduktion“ gibt, so muss davon ausgegangen werden, dass „Postproduktion“, die von selbständigen Einzelpersonen erbracht wird, der Künstlersozialabgabe unterliegt.

  1. Sollte es Prüfungen der KSK oder der DRV geben, so ist zu beachten:
    1. a)  Ein ggf. gegen den Abgabebescheid (fristgerecht) erhobener Widerspruch hat leider keine aufschiebende Wirkung.
    2. b)  Ggf. kann mit der KSK eine Stundung von Zahlungen vereinbart werden.
  2. Werden Selbstständige im Bereich Postproduktion durch den Fotografen direkt beauftragt, dann sollte in der Rechnung an den Kunden (ob verdeckt oder offen), die aktuell gültige Künstlersozialabgabe mit kalkuliert und abgerechnet werden.Nur, wenn der Fotograf nicht selbst Auftraggeber wird (was viele Kunden unter dem Aspekt „Alles aus einer Hand“ jedoch nicht wollen), kann diese Problematik vollständig umgangen werden.
Rechtsanwälte Alexander Unverzagt, Claudia Gips 09.07.2015
4. Detaillierte rechtliche Bewertung

  1. Künstlersozialabgabe fällt nach § 25 KSVG auf (alle) Entgelte an, die von einem abgabepflichtigen Verwerter für „künstlerische oder publizistische“ Werke oder Leistungen an einen selbständigen Kreativen zahlt.è Zahlungen an Postproduktionen, die als GmbH, KG, OHG oder AG firmieren, sind nicht abgabepflichtig.èZahlungen an selbständige Einzelpersonen oder GbR (Gesellschaften bürgerlichen Rechts) können abgabepflichtig sein.
  2. Entscheidend ist die Frage, ob die Leistung Postproduktion als „künstlerische Leistung“ einzustufen ist.Postproduktion beinhaltet i.d.R. „Bildbearbeitung“, die heutzutage überwiegend computergestützt vorgenommen wird.
    1. a)  Als „künstlerisch“ werden zunächst alle Tätigkeiten umfasst, die im sogenannten „Künstlerbericht“ erfasst sind. Postproduktion ist dort nicht genannt.Dort sind aber in der Berufsgruppe „Fotodesigner“ künstlerische Fotografen, Lichtbildner, Kameramänner und Werbefotografen genannt (BT-Drucks 7/3071, S 7).
    2. b)  Eine gerichtliche Entscheidung zu „Postproduktion“ ist – soweit ersichtlich –

bisher nicht ergangen. Jedenfalls liegt keine Entscheidung des „Bundessozialgerichts“ (BSG) vor, das als oberstes Gericht über die Künstlersozialabgabe entscheidet.
c) Eine Entscheidung, in der der Begriff „Bildbearbeitung“ auftaucht, befasst sich mit „Webdesignern“.
Dazu hat das BSG entschieden:

  1. 1)  Webdesigner gestalten Bildschirmseiten unter ästhetischen und funktionalen Gesichtspunkten, und zwar hauptsächlich für Internet- und Intranet-Auftritte.
  2. 2)  Die Tätigkeit selbst umfasst zunächst die Beratung des Kunden bei der Gestaltung von Bildschirmseiten für das Internet oder das firmeneigene Intranet. Dem folgt die Phase des „Brainstormings“ und der Ideensammlung, die in die Konzipierung des Designs von Homepages und einzelnen Bildschirminhalten mit Hilfe von diversen Softwareprogrammen unter Beachtung der redaktionellen, technischen, finanziellen und produktspezifischen Anforderungen übergeht. Hieran schließt sich die
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Gestaltung verschiedener Entwürfe an, die gelegentlich von Hand zu zeichnen sind, meist aber auch schon mit Hilfe des Computers (PC) umgesetzt werden können.
3) Ein vergleichbares Berufsbild weisen auch Grafikdesigner, Fotodesigner und Layouter auf:
Fotodesigner haben die Aufgabe, mittels der Fotografie eigene Bildkreationen zu entwerfen, um verschiedene Produkte und Ideen bestmöglich zu vermarkten. Sie arbeiten in Fotostudios und Ateliers der Werbe-, Mode- oder Wissenschaftsfotografie. Dabei wechseln sie zwischen dem Studio, unterschiedlichen Aufnahmeorten, der Dunkelkammer und – für die Bildbearbeitung – dem Computerarbeitsplatz.
Die vorgenannten Berufsbilder sind nicht scharf voneinander zu trennen und überschneiden sich sogar, denn bei der modernen Gestaltung der Kommunikationsmittel wird zunehmend der PC mit besonders ausgerichteter Software und Programmen zur Grafikherstellung und Bildbearbeitung eingesetzt mit der Folge, dass die elektronisch erstellten Produkte gleichzeitig in unterschiedlichen Medien Verwendung finden können. Lag der Schwerpunkt der Tätigkeit von Grafikdesignern früher vor allem auf der visuellen Realisierung bestimmter Ideen und Vorstellungen durch klassische Zeichengeräte und Gestaltungsmaterialien wie Federn, Pinsel, Farben, Raster und Folien, wird Grafikdesign heute, angefangen vom Entwurf bis hin zur Reinzeichnung, in erster Linie computerunterstützt bewerkstelligt. Layouter benutzen ebenfalls vermehrt den PC; sie entwerfen und gestalten Druck- und Medienseiten aller Art mit Hilfe von verschiedenen Grafik- und Bildbearbeitungsprogrammen. Moderne Fotodesigner arbeiten heute ebenfalls nicht mehr ausschließlich mit der Kamera und im Entwicklungslabor, sie gestalten ihre Foto- und Filmaufnahmen vielmehr auch am Bildschirm mittels entsprechender Layout- und Bildbearbeitungstechnik (Nachweise unter [ http://infobub.arbeitsagentur.de/berufe/index.jsp ] – Stichworte „Designer/-in – Grafik“, „Designer/-in – Foto“ und „Layouter/-in“).
Deshalb ist es gerechtfertigt, das Webdesign wie alle anderen Arten des Designs, die auf speziellen technischen Möglichkeiten und Anwendungsformen beruhen (zB Foto-, Licht-, Grafik-, Computer-, Medien- und Sound-Design), als Bestandteil der bildenden Kunst zu betrachten.
èDie vorstehend genannten Ausführungen könnten durchaus auch auf Postproduktion übertragen werden. Es ist zu erwarten, dass die KSK die Tätigkeiten von Postproduktionen als vergleichbar mit den Tätigkeiten eines Webdesigners ansieht und dieselben Kriterien zur Einstufung als „künstlerisch“ heranzieht und damit „Postproduktion“ als „künstlerisch“ einstuft.
4) Hinsichtlich Webdesigner hält das BSG es jedoch für erforderlich, dass ein „eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum“ gegeben ist.
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è Auch diese Voraussetzung müsste dann konsequenterweise bei „Postproduktion gegeben sein. Hat die Postproduktion „freie Hand“ (Variante 2), dann wird ein solcher Gestaltungsspielraum i.d.R. gegeben sein.
Formulierungen auf KVA, Rechnungen oder Ähnlichem, dass von der Postproduktion „kreative Bildbearbeitung“ vorgenommen wird, sind diesbezüglich problematisch, da damit von der Postproduktion selbst zum Ausdruck gebracht wird, dass eine künstlerische Leistung vorliegt. Darauf wird sich dann auch die KSK berufen.
èFehlt es an einem solchen Gestaltungsspielraum (Variante 1), weil die Postproduktion nur „verlängerter Arm“ des Fotografen ist, die auf seine Anweisung hin tätig wird, dann kann eine Bewertung als „künstlerisch“ nicht vorgenommen werden.
5) Zu berücksichtigen ist hier jedoch auch die Bewertung des BSG:
Soweit versucht wird, aus einzelnen erstellten Rechnungen abzuleiten, dass dort die technisch-manuelle Gestaltung von Webseiten und nicht der eigenschöpferische Gestaltungsspielraum im Vordergrund gestanden habe, ist dies für die Beurteilung der Künstlereigenschaft der Klägerin unerheblich, denn auf das Ausmaß der gestalterischen Freiheit im Einzelfall kommt es nicht an.
èAuch wenn in einzelnen Rechnungen vollständig oder teilweise nur eher „technische“ Tätigkeiten aufgeführt werden, dann kann die KSK die Gesamttätigkeit gleichwohl als „künstlerisch“ einstufen.
d) Das BSG bereits mehrfach über den Bereich „Werbefotografie“ zu entscheiden.
Es hat dabei – bis heute gültig – entschieden, dass die Werbefotografie „bildende Kunst“ i.S. des § 2 KSVG darstellt – und damit der Abgabepflicht unterliegt:
1) Dies gilt unabhängig davon, ob dem Werbefotografen im konkreten Einzelfall ein kunsttypischer eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht, ob die Fotografien tatsächlich eine künstlerische Qualität besitzen oder ob zumindest der Fotograf für sich einen künstlerischen Anspruch erhebt (BSG, Urteil vom 25.11.2010, B 3 KS 1/10 R).
Bei der von Werbefotografen betriebenen Art der Fotografie ist für die Einordnung als künstlerisch allein entscheidend, dass sie zu Werbezwecken erfolgt. Für diese Auslegung spricht bereits der schon erwähnte Katalog der typischen Kunst vermarktenden und verwertenden Unternehmen in § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG, der unter Nr. 7 ausdrücklich die „Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte“ betreibenden Unternehmen erfasst. Werbeagenturen, Public-Relations-Büros sowie die Werbeabteilungen von
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Unternehmen ziehen für die optische Gestaltung von Werbung und Marketing vielfach selbstständige Grafiker, Werbefotografen, Designer und sonstige Künstler heran (Finke/Brachmann/Nordhausen, a.a.O., § 24 RdNr 151 und 152). Dabei ist der Bereich der Werbung weit zu fassen. Es geht um die Gestaltung von Werbung in den verschiedenen Medien (Film, Fernsehen, Internet, Zeitungen, Zeitschriften usw.) durch Werbefilme, Werbespots, Werbeanzeigen, werbenden Webseiten und Werbeflyern.

  1. 2)  Die Einbeziehung der diese verschiedenen Formen der Werbung betreibenden Unternehmen in den Kreis der Kunstvermarkter und Kunstverwerter lässt darauf schließen, dass gerade die von ihnen typischerweise herangezogenen „kreativen“ Selbstständigen zu dem Personenkreis zählen, der in § 2 KSVG mit „bildende Kunst Schaffenden“ bezeichnet worden ist.
  2. 3)  Der gesamte Bereich der „kreativen“ Werbefotografie ist damit als bildende Kunst i.S. des KSVG einzustufen, ohne dass es auf den konkreten Auftragsgegenstand und den damit verbundenen – engen oder weiten – Gestaltungsspielraum des Fotografen ankommt (vgl. BSG SozR 4-5425 § 2 Nr. 4; BSG SozR 4-5425 § 24 Nr. 2, 3 und 6; BSG SozR 4-5425 § 25 Nr 1; stRspr).
  3. 4)  Für die Einbeziehung der Werbefotografie in ihrer gesamten Bandbreite spricht ferner der Umstand, dass auch die anderen Berufe, die am kreativen Prozess der bildlichen und textlichen Gestaltung von Werbung und Werbemitteln beteiligt sind, insgesamt und ohne Differenzierung nach künstlerischer oder publizistischer Qualität bzw. Werkhöhe und ohne Berücksichtigung der Breite des gestalterischen Spielraums im Einzelfall dem Anwendungsbereich des § 2 KSVG zuzuordnen sind. So gehören zB Werbefilmregisseure, Werbefilmautoren, Werbesprecher, Werbegrafiker, Plakatmaler und Werbetexter unabhängig vom konkreten Inhalt eines Auftrages aus der Werbebranche und unabhängig von dem Umfang des eingeräumten Gestaltungsspielraumes zu den Künstlern und Publizisten i.S. des § 2 KSVG, weil ihre berufliche Tätigkeit als Gattung künstlerischer bzw. publizistischer Natur ist (Regisseur, Drehbuchautor, Sprecher, Grafikdesigner, Maler, „in anderer Weise als durch Schriftstellerei oder Journalismus publizistisch Tätiger“) und die Betätigung im Bereich der Werbung an der künstlerischen bzw. publizistischen Natur ihrer Arbeit nichts ändert (vgl Finke/Brachmann/Nordhausen, a.a.O., § 2 RdNr 13, 14, 16, 17, 19, 20, § 24 RdNr 146). Daher wäre es sachwidrig, allein bei der Werbefotografie zwischen künstlerischer und nicht-künstlerischer Natur der Leistung zu unterscheiden.
  4. 5)  Bei der Werbefotografie bleibt für ihre Einordnung als künstlerisch also entscheidend, dass sie gerade zu Werbezwecken erfolgt. Festzuhalten bleibt somit, dass eine Begrenzung der Abgabepflicht nach dem KSVG auf jene Formen der Werbefotografie, die nach herkömmlichem Verständnis
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„künstlerischer Natur“ ist und deshalb der künstlerischen Fotografie gleichzustellen wäre, weder von der Entstehungsgeschichte des KSVG noch von dessen Sinn und Zweck her möglich ist.
6) Fotografen sind ohne Rücksicht auf die künstlerische Qualität ihrer Bilder und den Umfang des ihnen eingeräumten Gestaltungsspielraums als Künstler im Sinne des Künstlersozialversicherungsrechts einzuordnen, wenn die Anfertigung der Fotografien Werbezwecken dient (BSG 12.11.2003, B 3 KR 10/03 R).
Die Werbefotografie ist eine künstlerische Tätigkeit i.S. der §§ 2 und 25 KSVG. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Werbefotografen im Einzelfall ein kunsttypischer eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht, ob die Fotografien tatsächlich eine künstlerische Qualität besitzen oder ob zumindest der Fotograf im Einzelfall für sich einen künstlerischen Anspruch erhebt.

  • è  Das BSG hat in der Vergangenheit Tätigkeiten, die in den kreativen Prozess der Erstellung von Werbefotografien eingebunden sind, als „künstlerisch“ eingestuft. Dies erfolgt unabhängig davon, ob eine „künstlerische Qualität“ vorliegt.
  • è  Es ist zu erwarten, dass das auch für den Bereich Postproduktion gilt, die an der Erstellung von Werbe-Kampagnen (Werbefotografien) beteiligt ist. Insofern wird die KSK voraussichtlich unter Berufung auf die bisherigen – mehrfach bestätigte – Rechtsprechung des BSG Postproduktion im Bereich Werbefotografie als „künstlerisch“ (und damit abgabepflichtig) einstufen. Auf den Grad der Gestaltungsfreiheit kommt es dann nicht an.

e) Die Einschätzung, dass neben Fotografen auch andere (ergänzende) Berufsgruppen, die im Bereich „Werbefotografie“ tätig sind, als „Künstler“ einzustufen sind, hat das BSG in einem älteren Fall auch bereits bzgl. Visagisten angenommen (BSG, 12.05.2005, B 3 KR 39/04 R):
1) Wie der Senat bereits wiederholt dargelegt hat, sind Fotografen ohne Rücksicht auf die künstlerische Qualität ihrer Bilder und den ihnen eingeräumten Gestaltungsspielraum als Künstler im Sinne des KSVG einzuordnen, wenn die Anfertigung der Fotografien Werbezwecken dient. Die Werbefotografie ist eine künstlerische Tätigkeit iS der §§ 2 und 24 Abs 1 Satz 2 KSVG, ohne dass es darauf ankäme, ob dem Werbefotografen im Einzelfall ein kunsttypischer eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht, ob die Fotografien tatsächlich eine künstlerische Qualität besitzen oder ob zumindest der Fotograf im Einzelfall für sich einen künstlerischen Anspruch erhebt (BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 3 RdNr 23; BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 6 RdNr 12 ff). Der Senat hat dies daraus gefolgert, dass die Berufsgattung der Werbefotografie vom Gesetzgeber pauschal dem Bereich der bildenden Kunst iS des § 2 KSVG zugeordnet worden ist. Allein der bei der Erstellung einer Fotografie bestimmte Zweck, der Werbung zu dienen, bewirkt, dass der Fotograf sich nicht auf eine bloße naturgetreue

Rechtsanwälte Alexander Unverzagt, Claudia Gips 09.07.2015
Ablichtung eines Bildobjekts beschränken darf, sondern bemüht sein muss, dieses Objekt nach den Vorstellungen seines Auftraggebers möglichst vorteilhaft ins Bild zu setzen. Zudem lässt die Einbeziehung der Werbung betreibenden Unternehmen in den Kreis der Kunstverwerter (§ 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG) darauf schließen, dass gerade die von diesen typischerweise herangezogenen „kreativen“ Selbstständigen zu dem Personenkreis zählen, der in § 2 KSVG mit „bildende Kunst Schaffenden“ bezeichnet worden ist (BSG a.a.O.). Dieser Kreis der „Kreativen“ beschränkt sich aber nicht nur auf den Werbefotografen, sondern umfasst auch alle anderen Personen, die zum Gelingen eines Werbeauftrags eigenverantwortlich und nicht unerheblich beitragen (BSG SozR 3-5425 § 1 Nr. 5 S 23).
2) In dem zu entscheidenden Fall wurde die Klägerin als Visagistin und Hairstylistin überwiegend im Auftrag von Moderedaktionen und Werbeagenturen tätig und nicht bloß von Fotografen als Hilfskraft herangezogen. Sie arbeitet in einem Team von Spezialisten und ist im Rahmen eines vorgegebenen Themas selbstständig für das Make-up und das Haarstyling verantwortlich. Das zu erstellende Produkt – das Werbefoto oder das Modebild – ist im Ergebnis nicht nur dem Werbefotografen zuzurechnen, sondern auch der Klägerin, weil sie das Gelingen des Kunstwerks durch ihre Arbeit entscheidend mitgestaltet. Durch die Schaffung von themenorientierten Gesichtsmotiven gibt sie dem Endprodukt eine charakteristische Note, was letztlich auch darin zum Ausdruck kommt, dass sie auf den von ihr vorgelegten Werbefotos neben dem Fotografen ebenfalls als Verantwortliche hervorgehoben wird. Ohne ihre gestalterische Arbeit wäre es dem Fotografen nicht möglich, das Objekt entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers möglichst vorteilhaft ins Bild zu setzen. Die Tatsache, dass die Klägerin zum Gelingen der Fotoshootings ganz erheblich beiträgt, wird schließlich auch durch die großen Freiräume belegt, die sie bei der Umsetzung der jeweiligen Thematik im Einzelfall besitzt. Innerhalb des Teams muss sie sich zwar mit den gestalterischen Vorgaben anderer (Fotograf, Stylist) auseinander setzen, doch bei der Umsetzung ihrer eigenen Ideen besitzt sie vergleichbare kreative Freiheiten. Sie ist deshalb – wie der Werbefotograf – als „bildende Kunst Schaffende“ i.S. von § 2 KSVG anzusehen.
è Das BSG fasst den Kreis der „Kreativen“ im Bereich „Werbung“ sehr weit. Es dehnt ihn auf „alle anderen Personen“ aus, die zum Gelingen eines Werbeauftrags „eigenverantwortlich und nicht unerheblich beitragen“.
èHat die Postproduktion „freie Hand“ (Variante 1), dann wird sie „eigenverantwortlich“ tätig und wird i.d.R. auch zum Gesamtwerk nicht nur unerheblich beitragen.
è Erfolgt die Postproduktion nur „auf (An-)Weisung“ des Fotografen (Variante 2) wird man argumentieren können, dass hier keine „eigenverantwortliche“ Tätigkeit vorliegt.
Rechtsanwälte Alexander Unverzagt, Claudia Gips 09.07.2015
Hier besteht allerdings das Risiko, dass die Gerichte der aktuelleren Entscheidung des BSG aus 2010 folgen, die – weitergehender – davon spricht, dass andere Berufsgruppen „insgesamt und ohne Berücksichtigung der Breite des gestalterischen Spielraums“ der Kunst zuzuordnen sind.
Rechtsanwälte Alexander Unverzagt, Claudia Gips 09.07.2015

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